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Sie war erst ein Kind, nicht älter als
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zehn, als der Pontifex Maximus sie in
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der Menge auswählte und zur nächsten
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Westelien erklärte. Von diesem Moment an
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gehörte ihr Leben nicht mehr ihr selbst.
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Nicht Macht, Reichtum oder Ehrgeiz
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hatten sie auserwählt, sondern Reinheit
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und Schicksal. Sie trat in eine Rolle
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ein, die sie enger an Rom binden würde
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als jeder Kaiser oder Senator. Was
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veranlasste die Römer ihre Töchter einem
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Leben heiliger Gefangenschaft zu
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Die Auswahl einer Westalin, Virgo
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Westales genannt, war eine feierliche
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und furchteinflößende Zeremonie. Die
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Kandidatin mußte zwischen sechs und zehn
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Jahre alt sein. Beide Elternteile
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lebten. Sie mussten römische Bürger sein
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und frei von Schande. Mehr noch, sie
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musste körperlich unversehrt sein und
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aus einer rechtlich gültigen Ehe
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stammen. Ein symbolischer Spiegel der
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idealen Reinheit Roms. Das Kind stand in
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einer Gruppe und der Pontifx Maximus,
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der oberste Priester Rom
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wählte sie per los oder war es direkte
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Benennung aus. Auserwählt zu werden war
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kein allgemein willkommenes
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Ehrenzeichen. Viele Familien weinten
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nicht vor Stolz, sondern vor Furcht.
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Einmal gewählt wurde das Mädchen
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schweigend weggeführt. Sie überquerte
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zum letzten Mal die Sakravia, die
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heilige Straße, als Kind Roms. Von nun
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an gehörte sie der Göttin Wester. Ihr
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Körper und ihre Seele wurden Eigentum
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des Staates. Der Biograf Plutarch
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beschreibt in seinem Werk, das Leben des
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Numa, wie König Numa Pompilius die
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Westalinnen einsetzte, ihnen das heilige
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Feuer anvertraute und sie aus den
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vornehmen römischen Familien auswählte.
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Dies war nicht nur eine religiöse
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Pflicht, es war ein Staatsakt, erfüllt
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von Ritualen, Ehrfurcht und der Last der
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moralischen Erwartungen Roms. Die
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Westalinnen wurden im Haus der
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Westalinnen Atriumwester untergebracht,
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direkt neben dem Westertempel im Forum
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Romanum. Dort verbrachte sie unter
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strenger Aufsicht älterer Westalinnen
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und Priester die nächsten dreig Jahre im
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Dienst. Zehn Jahre lernen, zehn Jahre
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ausüben und zehn Jahre unterrichten.
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Ihre Aufgaben waren nicht nur religiöser
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sondern auch politisch bedeutsam. Die
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Flamme, die sie hütete, symbolisierte
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das ewige Leben Roms und ihre Keuschheit
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galt als Spiegelbild der moralischen
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Integrität des Staates. Diese Mädchen
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waren nicht durch Ketten gebunden,
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sondern durch Gesetze, die strenger
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waren als jede Gefängnismauer. Und
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gab es kein zurück mehr. nicht zu ihrem
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Zuhause, nicht zu ihrem Namen und am
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schmerzhaftesten, nicht zu dem Leben,
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das sie einst kannten. Der Dienst an
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Wester bedeutete eine Verwandlung in ein
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Symbol, ein Sinnbild der Tugend Roms.
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Doch unter all der Ehrfurcht verbag sich
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eine düstere Wahrheit. Die Stadt würde
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sie verehren, solange sie keinen
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einzigen Fehler machte. Vielleicht war
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die strengste aller Regeln die, die
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ihren Körper betraf. Das vor der Göttin
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Wester abgelegte Keuschheitsgelüpte war
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30 Jahre lang durfte eine Westalin weder
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heiraten, noch einen Mann berühren oder
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von einem Mann berührt werden. Dies war
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nicht nur religiöse Doktrinen, es war
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eine Frage der staatlichen Sicherheit.
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Ihr Körper war heilig und die Reinheit,
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die er repräsentierte, war nicht nur
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persönlich, sondern politisch. Sie war
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heilig, aber niemals sicher. Die
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Westalin in zeremonielle weiße Gewänder
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gehüllt und vom Volk Roms geehrt. Es
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lebte nicht nur unter göttlicher
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Verpflichtung, sondern auch unter dem
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allgegenwärtigen Gewicht des römischen
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Gesetzes. Unerbittlich und absolut. In
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der Öffentlichkeit verehrt wurde ihre
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Heiligkeit im Privaten streng überwacht.
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Ihr Schutz erfolgte durch Methoden, die
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brutaler waren als göttlich. Was
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geschah, wenn selbst die am meisten
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verehrten Frauen Roms einen Fehler
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machten? Die Westalinnen waren an drei
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Grundgesetze gebunden. Ewige
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Jungfreulichkeit, bedingungslosen
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Gehorsam und strenge Bewachung des
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Heiligen Feuers. Wer eines dieser Gebote
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brach, musste mit schnellen und oft
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gnadenlosen Konsequenzen rechnen. Wenn
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die ewige Flamme im Tempel der Wester
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erlosch, galt dies nicht nur als
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rituelles Versagen. Es war ein schlimmes
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Omen für den römischen Staat.
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In solchen Fällen konnte die amtierende
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Oberwestalin eine private Strafe
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erwarten. Manchmal eine Auspreitschung,
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die vom Pontifex Maximus vollstreckt
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wurde, jedoch stets fernab der
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Öffentlichkeit. Dies war keine
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symbolische Strafe, sondern ein
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brutales, demütigendes Ritual, das im
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völligen Dunkel oft nachts durchgeführt
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wurde, um die heilige Frau vor den
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Blicken der Öffentlichkeit zu schützen,
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selbst wenn sie l antike Quellen
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bestätigen, dass die Westalinnen, wenn
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das heilige Feuer erlosch, manchmal mit
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Stöcken geschlagen wurden, immer im
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Dunkeln und niemals öffentlich
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entkleidet. Ein deutlicher Hinweis auf
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das kalte Gleichgewicht zwischen
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ritueller Würde und körperlicher Gewalt.
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Neben der körperlichen Strafe war die
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psychologische Isolation konstant und
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kalkuliert. Für die gesamten 30 Jahre
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ihres Dienstes musste eine Westalin
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zölibat bleiben. Ihr Leben war streng
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auf das Atrium Vest beschränkt. Ein
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abgelegener Komplex im Forum Romanum.
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Ihre Kontakte wurden genau überwacht.
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Sie durfte nicht einmal frei mit Männern
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sprechen. Das kleinste Gerücht über ein
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Fehlverhalten konnte eine vollständige
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Untersuchung durch das Kollegium der
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Pontifesis auslösen. Und einmal
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beschuldigt, hatte eine Westalin kaum
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Verteidigungsmöglichkeiten.
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Die römische Justiz ging in solchen
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Fällen selten von Unschuld aus. Westalin
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zu sein bedeutete nicht, frei von
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Schmerz oder Angst zu sein. Es bedeutete
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in einem geheiligten Käfig zu leben, auf
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Alten, verehrt und schweigend geschlagen
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zu werden. Die schwerwiegendste Strafe
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für eine Westalin war das Lebendige
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begraben. Wenn sie ihr
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Keuschheitsgelüpte brach, galt dies als
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Verrat an der Göttin Wester und damit an
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ganz Rom. Das römische Gesetz schrieb
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vor, daß die schuldig gewordene Westalin
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in einem unterirdischen Grab unter der
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Erde eingemauert werden musste. Diese
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Strafe war zugleich eine religiöse
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Notwendigkeit. Da das Blut einer
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Bestalin nicht vergossen werden durfte,
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sie war heilig, konnte sie nicht
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öffentlich hingerichtet werden.
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Stattdessen wurde sie in einem kleinen
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engen Raum begraben, ausgestattet nur
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mit etwas Wasser und Brot und ihrem
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Schicksal überlassen. Die Zeremonie war
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von strenger Ritualität geprägt. Sie
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wurde aus dem Tempel geführt, begleitet
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von einer schweigenden Prozession und
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dann in der dunklen Kammer
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zurückgelassen. Von außen war das Grab
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verschlossen und versiegelt, sodass kein
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Ausweg möglich war. Dieses grausame
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Urteil war gleichermaßen eine Warnung an
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alle Westalinnen, die die Gesetze
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brechen wollten und ein Symbol für die
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absolute Macht des römischen Staates
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über das individuelle Leben. Trotz der
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strengen Regeln und der drohenden
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Strafen genossen die Westalinnen auch
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eine außergewöhnliche Stellung in der
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römischen Gesellschaft. Sie hatten
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Privilegien, die anderen Frauen verwehrt
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blieben. Sie konnten Eigentum besitzen,
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Testament machen und waren unter dem
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besonderen Schutz des Staates. Ihr Wort
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hatte Gewicht in Gerichtssachen und sie
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konnten ohne männlichen Formund
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auftreten. In öffentlichen Zeremonien
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standen sie an der Spitze und galten als
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lebendige Symbole der Stabilität und
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Reinheit Roms. Nach Ablauf ihres
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Dienstes von 30 Jahren konnten sie
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heiraten, wenn sie es wollten, und ein
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normales Leben führen, obwohl viele sich
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entschieden, im Dienst zu bleiben oder
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in die religiöse Gemeinschaft
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zurückzukehren. Das Vermächtnis der
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Westalinnen ist bis heute ein
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faszinierendes Kapitel römischer
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Geschichte. Ein Leben zwischen Heiligem
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Dienst, strenger Disziplin und der
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ständigen Spannung zwischen Freiheit und
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Gefangenschaft. Die Westalinnen waren
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mehr als nur Priesterinnen des Heiligen
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Feuers. Sie waren lebendige Symbole für
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die Ideale und Widersprüche Roms.
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Reinheit und Stränge, Freiheit und
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Gefangenschaft, Ehrfurcht und Furcht.
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Ihr Leben zeigt, wie eng Religion,
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Politik und Gesellschaft im antiken
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Rominander verflochten waren. Sie waren
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Hüterinnen des Staatswohls, deren
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persönliches Schicksal untrennbar mit
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dem Schicksal der Stadt verbunden war.
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Die Geschichte der Bestalinnen lehrt
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uns, daß Macht oft mit Verantwortung,
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aber auch mit Opfer verbunden ist. Ihr
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Dienst war ein Balanceakt zwischen
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göttlicher Würde und menschlicher Härte,
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ein Spiegelbild der komplexen Welt, in